Traumhaus

Das TRAUMHAUS ist ein mit einem Bettwäsche-Patchwork bedecktes, ca. 5 m hohes, begehbares Tipi, in dem aufgeschriebene Erinnerungen an Träume herabhängen. Die provisorische Bauweise und der behaglich-wohnliche Überwurf bilden dabei einen sowohl spielerischen als auch reibungsvollen Kontrast. Die bereits applizierten Träume können vor Ort von Besucherinnen und Besuchern gelesen und es können eigene Träume hinzugefügt werden.

Zum ersten Tag der offenen Tür am Birkenhof, einer Jugendhilfeeinrichtung des Parzivalzentrums in Daxlanden, wurde das TRAUMHAUS im Juni 2017 erstmals errichtet. Die herabhängenden Traumerinnerungen waren geträumt und aufgeschrieben von den Bewohnern (minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen aus Eritrea, Somalia, Syrien, Algerien, Pakistan, dem Irak, Afghanistan, Äthiopien) und den Betreuerinnen und Betreuern der Jugendhilfeeinrichtung. Träume von Besucherinnen und Besuchern kamen hinzu.

Das TRAUMHAUS ist, gemäß der Bestimmung eines Tipis, mobil und kann überall errichtet werden. Der Reiz und Hintersinn dieser Installation wird am wirksamsten in öffentlichen Innenräumen, die von möglichst gemischten Personengruppen aufgesucht werden oder aufgesucht werden müssen, also in Schalterhallen von Banken, in Eingangsbereichen von Ämtern, in Kirchen, in Einkaufszentren, in Schulungszentren, in Foyers etc.

An Orten wie diesen entfaltet sich der Kontrast sowohl zwischen der behaglichen Intimität des Bettwäsche-Überwurfes und der öffentlichen Funktion des Standortes als auch der zwischen der provisorischen Bauweise des Tipis und der baulichen Belastbarkeit der Umgebung am produktivsten.

Ein Tipi ist eine Behausungsvariante, zugunsten deren Mobilität der Schutzfaktor teilweise geopfert wird: ein Tipi schützt vor Witterung und Sicht, nicht aber vor Aggression – der kann es aber relativ schnell räumlich weichen, wie es auch zugunsten besserer Bedingungen schnell an einem günstigeren Ort aufgestellt werden kann.

Der Bezug der Außenfläche mit Bettwäsche mit typischer (deutscher) Wohlfühl-Musterung wiederum greift Inneneinrichtungsharmonie auf, die eher in fest Gemauertem entsteht und abgesicherte Koketterien wie den Wunsch nach einem Tapetenwechsel anklingen lässt.

Der Anblick und das Betreten des TRAUMHAUSES lassen verspielte Abenteuerlust ebenso assoziieren wie erzwungenes Nomadentum.

Schlaf, die Bedingung des Träumens, hat bei allen Menschen und bei Flüchtlingen im Besonderen eine große Bedeutung, auch als (Zu)flucht oder als geschädigte Funktion. Dramatische Lebensumstände können den Schlaf und das Träumen gravierend beeinflussen, unterbinden oder massivieren; beruhigte Lebensumstände können Schlaf und Träume beruhigen, sie können aber auch gerade Bedingungen schaffen, die beides dramatisieren.

Träume können vollkommen banal sein, tiefer Trost oder größter Schrecken – alle, die träumen (unter manchen Umständen, wie z.B. Medikamentierung, träumt man nicht bzw. nimmt seine Träume nicht wahr), eint, dass nahezu niemand seine Träume beeinflussen kann und wir alle, unabhängig von Herkunftsland, Sozialisation oder Lebensumständen, unseren Träumen im Guten wie im Schlechten ausgeliefert sind.

Dass man träumt, ist nicht durch vertraute oder fremde Umgebung bedingt. Dass man einen Traum aber mitteilt, erfordert unbedingt eine Umgebung des Vertrauens.

Dieses gegenseitige Vertrauen und (im Gegensatz zu unterschiedlichsten Wunschvorstellungen) unser aller Gleichheit vor dem Träumen, diesem archaischen, individuellen und bei größter Diversion des Geträumten allen gemeinsamen menschlichen Vorgang, soll diese Installation erzeugen oder erfahrbar machen.

Die Wirkungsintention des TRAUMHAUSES richtet sich an Mitbürgerinnen und -bürger möglichst aller Reifungsstufen, zukünftige, neue und alteingesessene, also schlichtweg an alle, deren Bewusstsein und Offenheit für einen (emotional erfahrbaren) größtmöglichen gemeinsamen Nenner der Mitmenschlichkeit das Bilden und Erhalten einer gemeinsamen, demokratischen Gesellschaft ermöglichen und festigen sollte.

Das Ziel des TRAUMHAUSES ist, auf emotional-sinnlichem Weg Vorurteilfreiheit, gesellschaftliche Zugehörigkeit und Empathie zu stärken, indem es über die Gemeinsamkeiten in Träumen und deren Nachvollziehbarkeit über Grenzen der ethnischen, der sozialen, der Religions- oder Geschlechtszugehörigkeit, der Herkunft oder Sozialisation hinweg weitere Gemeinsamkeiten des Menschseins fühlbar und anerkennbar macht.

Im direkten räumlichen Umfeld der Installation ist hierbei ein passiver Anteil, das Erfahren der Träume Fremder in einem charmanten, fragilen Schutzraum, und ein aktiver möglich: das vertrauensvolle bis mutige Öffnen und Zurverfügungstellen eigener, innerer Vorgänge.

Konzeption und Projektleitung: Anke Bußmann

Patchwork: Eric van der Zwaag

Projektzeitraum:

Okt. 2017 – Juli 2018

Projektförderung:

Partnerschaft für Demokratie im Landkreis

Partnerschaft für Demokratie Stadt Karlsruhe

Aufstellungsorte:

Rathaus Ettlingen

Handelslehranstalt Bruchsal

Schülertage Karlsruhe